Ideen – Junge Medien Thüringen e.V. Wir sind der Mediennachwuchs. Wed, 23 May 2018 00:40:22 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.7.2 „Wir brauchen einen Neustart“ /wir-brauchen-einen-neustart-medienstandort-thueringen/ /wir-brauchen-einen-neustart-medienstandort-thueringen/#respond Thu, 02 Jun 2016 12:35:29 +0000 /?p=6839 Die Diskussion war so linear, hochmütig und langbärtig wie der MDR selbst. Dabei waren sowohl das Podium als auch die Thematik beim „Runden Tisch Medienstandort zur sozialen Lage der AV-Medienschaffenden“ heute im Studiopark Kindermedienzentrum brisant gesetzt. Die Thüringer Staatskanzlei als … Weiterlesen

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Die Diskussion war so linear, hochmütig und langbärtig wie der MDR selbst. Dabei waren sowohl das Podium als auch die Thematik beim „Runden Tisch Medienstandort zur sozialen Lage der AV-Medienschaffenden“ heute im Studiopark Kindermedienzentrum brisant gesetzt. Die Thüringer Staatskanzlei als Gastgeber traf mit der Veranstaltung den Nagel auf den Kopf. Nur waren die betroffenen Privelligierten leider immer noch nicht bereit, auf Augenhöhe mit dem Volk den notwendigen Neustart konkret zu werden. Es waren aber nicht nur die parlamentarische Bestuhlung und die auf dem Hochsitz thronenden Vertreter von mdr, Drefa und Wirtschaftsministerium, die das feudale System des Medienstandorts visuell klischeehaft bedienten. Leider fehlte es der so wichtigen Staatskanzlei mit ihrer Kulturellen Filmförderung an einem Feldherrn im Gefecht. Der wurde nach Leipzig ins Vorzimmer der mdr-Intendantin abgeworben. Und so kommt den Medienunternehmern und den wenigen jungen Medienmachern am „runden Tisch“ der Medienstandort vor wie ein abgekoppelter Bahnhof, an dem der Zug der Zeit schon längst vorbeigefahren ist. Das stört weniger die Gesättigten und Vettern. Und die Jungen haben ja eine Wahl. Sie können auch gehen. Das haben wir nach dem Mittagsimbiss dann auch getan. Was wir vorher beobachtet haben – für Interaktivität gab es keinen Kanal – sei hier kurz zusammengefasst von Journalist und Produzent Henryk Balkow . Ein Appell, dass nach dem Tabula Rasa beim Runden Tisch dieser auch neu gedeckt wird.

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Runde 1: mdr-Landesfunkhaus-Chef Boris Lochthofen

Die Arena der Diskussion eröffnete der seit drei Monaten amtierende mdr-Landesfunkhaus-Chef Boris Lochthofen . Der Medienexperte und Sohn des langjährigen TA-Chefredakteurs Sergej Lochthofen muss sich in den Bereich Fernsehen erst reinarbeiten, lerne aber gern und schnell dazu. Rhetorisch könnte er aus Merkels Holz geschnitzt sein. Er bemühte sich um Deeskalation, verwies auf den eigentlichen Feind, die Herausforderung der Digitalisierung als Chance, die von allen Opfer und Content fordere. Er appellierte, mehr zu koopieren. Mit der Forderung hat er recht, auch wenn das schwierig ist, wenn man 60 Stunden und mehr in der Woche ums Überleben kämpft. Aus dem Munde des mdr klang das erstmal hoffnungsvoll wie Luther, der die katholische Kirche reformieren will.  Schließlich habe man auch Konkurrenz durch – wie er sie nannte: „niedrigschwellige Darreichungsformen“. Gemeint sind junge Kreative, die mit weniger Geld und preiswerterer Technik und ohne mdr-Schulung trotzdem erfolgreich produzieren und distribuieren. Die Generation des User Generated Content braucht keinen Sendeplatz im mdr. Kein Wort oder gar eine Einladung, an den mdr mit Ideen oder Kooperationsvorschlägen heranzutreten, kein Wort über die Bedeutung einer Kreativwirtschaft oder kreativen Szene, die neue Formate jenseits der jungen Ärzte entwickeln könnte. Kein Wort über die Bedeutung der Kooperation mit Hochschulen und ihren Filmprojekten oder anderen jungen Medienmachern, die man beim Versuch, eine „Jugend-Mediathek“ aufzubauen, vielleicht gut gebrauchen könnte. Schade. Es gibt viele gute Keime in Thüringen, engagierte und kreative Medienmacher. Aber vom Hochstand aus, sieht man die eben nicht.

mdr-Landesfunkhaus-Chef Boris Lochthofen beim „Runden Tisch Medienstandort“

Neue Plattformen seien Herausforderung und Chance, der mdr selbst will aber nicht auf ihre Augenhöhe gehen. Das Dorf möge bitte immer noch zur Kirche kommen. Auf den Mitteldeutschen Medientreffpunkten in Leipzig klang das noch anders. Lochthofen klingt in meinen Ohren wie ein junger Lehrer, der an ein katholisches Gymnasium kam, voller Elan und Know-How, und vom Kollegium zurecht gemürbt wurde. Sein Erbe ist nicht einfach. Ein alter, schwerer Öltanker wie der mdr hofft, dass die wendige Flotte der neuen digitalen Generation sie nicht überholt. Oder wenn doch, dann könnte man dann vielleicht in ihrem Fahrtwasser mitschwimmen – wenigstens bis zur Pension. Das wird nicht passieren. Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen. Die Zeiten, in denen jeder Stuhl, auf den sich der mdr setzte, ein Thron ist, ist vorbei. Denn die nachkommenden Generationen haben weder Ehrfurcht noch Respekt vor dem kulturellen Erbe und der gesellschaftlichen Relevanz des mdr. Und sie haben sehr viele Alternativen, die dagegen sexy sind. Und sie werden sich in Zukunft weigern, einen Zwangsbeitrag für Mist zu bezahlen, wenn sie für 10 Euro im Monat auf Sky oder Netflix mehr Content mit Qualität und Spannung bekommen.

Runde 2: Medienexperte Heiko Hilker stellt Medienstandort-Studie von Jörg Langer vor

Grob zusammengefasst ist die Lebenssituation der AV-Filmschaffenden in Thüringen nach Langers Studie „prekär“ – auch wenn diese Realität vom Ökonom des Wirtschaftsministeriums später in der Diskussion in Zweifel gezogen wurde. In den Produzenten-Allianzen würden Heiko Hilker zufolge nur die Großen absahnen. Viele Kleine kämpfen um ihr Überleben und darum, ihre wenigen Mitarbeiter anständig bezahlen zu können. Problematisch hierbei sei vor allem das Nachfrage-Monopol der Sender, wobei der Plural in Thüringen in Sachen Medien aus dem Wörterbuch gestrichen werden kann. Große Marktriesen wie die Telepool können auf Kosten der Mitarbeiter und Freien zweistellige Millionenbeträge zurücklegen. Die MCS Thüringen führt als Tochter des mdr, der gleichzeitig ihr Hauptkunde ist, die aus Gebührenbeiträgen erwirtschafteten Gewinne an ihre Holding ab, zu der u.a. Studio Hamburg gehört. So bleiben sowohl vom mdr-Kuchen als im ürbigen auch vom mdm-Kuchen für Thüringen vor Ort kaum etwas übrig für Butter und Brot – und schon gar nicht für Experimente, neue Formate oder Wachstum.

Heiko Hilker vom Dresdner Institut für Medien, Bildung und Beratung stellte Jörg Langers Studie zur Situation der Filmschaffenden 2015 in Thüringen vor und reflektierte kritisch die Haltung des mdr und dessen Töchter.

Heiko Hilker verwies darauf, dass im Zuge der Digitalisierung und Verbreitung neuer Plattformen auch die Entlohnung für Beiträge ansteigen müsste. Das wäre fair. Urheberrechte sind ein wichtiges Gut – vor allem für die ohnehin meist unterbezahlten Kreativen. Dazu gehöre es auch, die Recherchen für Dokumentationen zu vergüten, so Hilker weiter. Man müsse viele Konzepte recherchieren und schreiben, bevor man vom mdr mal eine Idee abgenommen bekomme. Ohne Kontakte sei es ohnehin sehr schwierig, überhaupt Aufträge zu bekommen oder Ideen beispielsweise für Co-Produktionen an offene Ohren zu tragen. Die Führung sei zwar kommunikativ, aber in der zweiten und dritten Reihe stehen dann die Mauern. Dabei brauche das Programm des mdr gerade jetzt neue Ideen und Formate, wie Kurzfilme, Dokus oder Animationsfilme um zeitgemäßes, wettbewerbsfähiges Programm zu machen. Man brauche einen Neustart. Hilker verwies dabei mit einer langen Fußnote auch auf die im Rundfunkstaatsvertrag verankerte Aufgabe der Öffentlich-Rechtlichen, neben Information und Meinungsbildung auch einen Beitrag zum audiovisuellen Erbe und zur Kultur zu leisten.

Runde 3: Diskussionsrunde mit Vertretern von mdr, Drefa, Ostlicht Weimar, Thüringer Wirtschaftsministerium

Helmut Hartung vom promedia-Fachmagazin moderierte die Diskussion zur sozialen Lage am  Medienstandort Thüringen

Die Diskussionsrunde bestätigte, was jeder weiß. Und eine interaktive Diskussion gab es nicht. Es fehlte leider schlichtweg an Verständnis für die Bodentruppen. Für Kinoproduktionen sind die jungen Thüringer Medienunternehmen allein zu klein und schwach. Das wichtige Butter- und Brot-Geschäft, um solche risikoreichen, langjährigen Projekte zu finanzieren, könnte im wesentlich kurzfristigeren Geschäft mit TV-Produktionen liegen. Das Wirtschaftsministerium und seine Erfüllungsgehilfen sehen in den Kreativen keine Aussichten auf Wirtschaftlichkeit, sondern einen Fall für die Kulturförderung. Ein Blick nach Berlin reicht, um zu verstehen, warum dorthin die Kreativen abwandern. Sie sind dort erwünscht und finden Anschluss und Kunden. Selbst Industrieunternehmen brauchen mal einen Werbespot, ein neues Logo, eine neue Webseite oder eine Beratung. Das würde vielen Thüringer Unternehmen gut stehen. Wir investieren aber nur in Gebäude und CNC-Fräsen und Labore. Die Kreativen werden in Thüringen in ihrer Wertschöpfung unterbewertet und ignoriert, statt auf sie zuzugehen und sie zu begleiten. So schaffte es einst Anna Amalia, große Dichter und Denker wie Goethe und Schillern zu Thüringern zu machen und Kreativen, deren Wert bis heute unermesslich ist – nicht nur als Kulturgut und touristisches Aushängeschild.Es muss auch für Kreative hier einen offenen und regen Markt geben, der auch gefördert wird – und dafür braucht es keine zweistelligen Millionen-Beträge wie in Oberhof für ein 1.600-Einwohner-Nest.

Hier ist der Markt aber von mdr und MCS wie eine Festung, wacker seit gefühlten Jahrzehnten. Viel geduldiges Papier, kluge Studien und runde Tische haben sich rund 20 Jahre angestaut und nichts verändert. Forderungen, die Kreativwirtschaft mehr zu unterstützen wie aus dem von Politikerin Marion Walsmann aus dem Publikum verhallten im Raum. Für den jungen Produktionsleiter, der zum Studieren an die TU Ilmenau kam und dort das Erbe der Bergfestfilm-Produktionen mit Ideen und Engagement weiterentwickeln will, interessieren sich niemand. Meine Forderung, den Standort durch eine kreative Szene mit Substanz und Leben zu füllen und die Kreativen dabei zu unterstützen, hätte ich mir sparen können. Also alles beim Alten. In Thüringen isst man eben Bratwurst und das grob. Aber Humor ist, wenn man trotzdem lacht und das letzte Wort hat das Web:

Satire-Kanal „Tatort: mrd“

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